Sonntag, 26. Februar 2017







ULRICH LANGE
21.08.2013 | 10:02 1

Schleichwerbung für private Internats-schule

ARD und ZDF: Schon wieder machen öffentlich-rechtliche Sender schamlos Schleich-werbung für eine private Internatsschule und gleich auch noch für deren adelige Kundschaft.
Schon wieder machen ARD und ZDF schamlos Schleichwerbung für die private Bildungsindustrie; diesmal das Institut Lucius im hessischen Echzell bei Frankfurt! Als Hersteller des ZDF-Werbefilmchens vermuteten wir aufgrund einer vor Ausstrahlung an uns gerichteten Anfrage (siehe Gegendarstellung) eine Firma namens "rabbithole-films", deren Internet-Präsenz allerdings nicht mehr enthält als eine Visitenkarte des "Filmdirectors und Autors" Christopher Zahlten, der bisher u.a. als freier Mitarbeiter der Film- und TV-Produktionsfirmen MES GmbH und AVANTI-FILM in Erscheinung getreten ist. Eine redaktionelle Bearbeitung durch das ZDF erfolgte unseres Wissens nicht (siehe hierzu wiederum die Gegendarstellung von Christopher Zahlten) bzw. war eine solche aufgrund der Machart des Beitrags kaum zu vermuten. Das Fehlen einer grundsätzlich kritischen Herangehensweise an das Thema Internatserziehung ist um so bedauerlicher, als das von den Autoren angestimmte Loblied auf das "Institut Lucius" im Rahmen der Ratgeber-Sendung "WISO plus" präsentiert wurde, eines Formats also, von dem der Zuschauer erwartet, dass die Selbstsicht der Anbieter von Waren und Dienstleistungen auf den Prüfstand gestellt wird!

Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie privatwirtschaftlich organisierte "Partnerfirmen" eines öffentlich-rechtlichen Senders Beiträge in das Programm einschleusen, die nicht nach den Regeln unabhängig-kritischer Berichterstattung recherchiert sind, sondern unter Gesichtspunkten der Marktkonformität (Frage: Welche Themen sind gerade "in Mode" und mit welchem Design kann ein Beitrag möglichst ökonomisch produziert und erfolgreich abgesetzt werden?) entstehen. Der Korruption und Schleichwerbung sind damit Tür und Tor geöffnet. Wohl nicht zufällig ist die Sendung WISO berüchtigt für unsaubere Praktiken (siehe zum Beispiel der "Test" Dominosteine, bei dem der Hersteller des "Testsiegers" mit in der Jury saß!). Vor diesem Hintergrund bricht immer wieder die Frage auf, mit welchem Recht ständig steigende Fernsehgebühren damit begründet werden dürfen, dass "Qualitätsjournalismus" schließlich seinen Preis habe!
WISO plus, 22.11.2012
Titel der Sendung: Internat - Ein Weg zum Erfolg?
Beschreibung des Senders:
"Überfüllte Klassen, schlechte Hausaufgabenbetreuung: Viele Eltern sehen ihre Kinder in den klassischen Schulen nicht gut gefördert. In Internaten ist das anders - der Haken: das Schulgeld."

Werbe-(Hat)trick mit Doppel-Schleich-Effekt

Dasselbe Internat - ein anderer Sender: Der Hessische Rundfunk kann es noch besser. Am 14.06.2013 um 06:20 brachte das Bämbel-TV den 25-minütigen Beitrag "Vom Schloss ins Internat. Gräfin Clara muss umziehen". Dazu verbreitet der Heimat-Kanal der Adels-Hofschranze, pardon des "Society-Experten" Holger Weinert online die folgenden Informationen:
"Clara Elisabeth Gräfin zu Solms-Laubach, 13 Jahre alt, kommt ins Internat. Sie entstammt einer berühmten Familie. Ihre Eltern, Karl-Georg Graf zu Solms-Laubach und Julia Willers, wohnen auf dem alten Familiensitz, dem Laubacher Schloss. Karl-Georg ist Forstwirt. Er lebt von seinem großen Waldbesitz und betreibt im Vogelsberg den Walderlebnispark "Grünes Meer" mit Streichelzoo und Klettergarten. Clara hat drei Geschwister: die 17-jährige Emma Margaretha, den 15-jährigen August Otto und die zehnjährige Hannah. Ihre Großeltern väterlicherseits sind Otto Graf zu Solms-Laubach und Madeleine von Sayn-Wittgenstein-Berleburg.
Das letzte Jahr hat sie in Berlin verbracht. Jetzt zieht sie zurück in das Schloss ihrer Familie nach Laubach. Aber Clara wird dort nur die Wochenenden verbringen, von Montag bis Freitag wohnt sie im Lucius-Internat im Dorf Echzell, etwa eine Stunde von Frankfurt am Main entfernt."
Weil "Karl-Georg" (Weinert: "Mein Freund Karl") nicht Opernsänger werden durfte, sondern als Forstwirt von "seinem großen Waldbesitz" leben muss und der Holzhandel auch noch die Kosten einer teuren Internatsschule zu erwirtschaften hat, wirbt der HR im Online-Anreißer zu dem erwähnten Beitrag frei nach dem Motto: "Fahr mal hin!" (eigentlich das schleichwerbeanfällige Gastronomie-Format des SWR) gleich auch noch für den "Walderlebnispark 'Grünes Meer' mit Streichelzoo und Klettergarten". Denn der verschafft unserem berühmten Vogelsberger Karl-Georg ein kärgliches Zubrot.
Und wie das schleichbeworbene Freizeitparadies ist dank der exakten Wegbeschreibung des HR auch das "Lucius-Internat im Dorf Echzell, etwa eine Stunde von Frankfurt am Main entfernt", leicht zu finden. Wer also hofft, dass eigene Kind mit Clara Elisabeth Gräfin zu Solms-Laubach die Schulbank drücken zu lassen wie einst die Hanni mit der Nanni, sollte seine Prinzen und Prinzessinnen dort ebenfalls anmelden. Referenzen gerne über Karl-Georg Graf zu Solms-Laubach und Julia Willers, jederzeit anzutreffen "auf dem alten Familiensitz, dem Laubacher Schloss".
Doch nein! Bei dem genannten Werbefilm des HR vom 14.06.2013 handelt es sich wohl um einen schon etwas angestaubten Archivbeitrag, der zuerst im Jahr 2009 via "Kinderkanal" ausgestrahlt wurde. Den hatte der HR produziert. Aber wer weiß, ob die vor Jahren in Echzell eingeschulte Clara vom blauen Blute dort überhaupt noch anzutreffen ist! Sei's drum. Der erwünschte Werbeeffekt des erwähnten KiKa-Beitrags - Zitat Wetterauer Zeitung:
»Durch die Sendung haben wir eine gute Chance zu zeigen: Wir Internate machen eine gute, solide Arbeit.«
- dürfte sich auch bei der Zweitverwertung wieder einstellen. Und dies sogar trotz eines das Institut Lucius betreffenden Ereignisses, das Zweifel an der "guten, soliden Arbeit" weckt.
Übrigens: Falls die erlauchten Herrschaften nicht an ihrem "alten Familiensitz" anzutreffen sein sollten, weil sie sich beispielsweise gerade im Klettergarten oder im Streichelzoo des "grünen Meeres" aufhalten, erteilt sicherlich auch ein entfernter Verwandter, Herrmann Otto zu Solms/Lich aus dem gleichnamigen Residenzstädtchen in der Laubacher Nachbarschaft, gern sachdienliche Auskünfte. Der unter dem Alias Otto Solms bekannte FDP-Politiker hatte bereits 1996 dem Magazin Focus seine geheime Sorge anvertraut, wo er denn demnächst seine Sprösslinge in Sicherheit bringen könne vor "überfüllten Klassen und schlechter Hausaufgabenbetreuung" oder gar Schlimmerem:
"Hermann Otto Solms ist ein weitsichtiger Mensch. Zwar interessieren sich seine drei-, fünf- und sechsjährigen Töchter mehr für Kuscheltiere als Karriere, doch der FDP-Fraktionschef baut vor: Die Wahl des Internats, in dem Sophie, Marie und Lilly den Schliff fürs Leben kriegen sollen, plagt ihn schon heute.

Der blaublütige Liberale liegt im Trend. Internate, lang verschrien als Auffanglager für Upper-Class-Kids oder renitente Teenies, erleben eine neue Blüte."

In welchen noblen Privatinstituten Sophie, Marie und Lilly schließlich fürs Leben geschliffen worden sind, dürfte sich inzwischen geklärt haben. Tochter Marie zum Beispiel soll im Jahr 2010 das Abitur am Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godesberg abgelegt haben, fürwahr ein Ort, wohin man seine "Sprösslinge in Sicherheit" bringen sollte.
Wer mal nachfragen möchte: Schloss der Fürsten zu Solms-Hohensolms-Lich, Heinrich-Neeb-Straße, 35423 Lich, bei Solms (bitte 3 x klingeln).

Persönliche Anmerkung







Ulrich Lange






ULRICH LANGE 21.08.2013 | 10:01

Werte ZDF-PR-Abteilung!
Könnten Sie uns bitte demnächst mit solchen als redaktionelles Programm getarnten Werbetrailern verscho-nen, die in bunten Bildchen die idyllische Internatswelt eines einzelnen, namentlich genannten Instituts preisen (siehe hierzu dieFernsehrichtlinie der Europäischen Gemein-schaft!) und deren kritisch-journalistische Grundtendenz sich darin erschöpft, die Werbeaussage im Titel mit einem Fragezeichen zu versehen und der schönfärberischen Darstellung einen relativierenden Schlusssatz anzuhängen? Was soll dieses undifferenzierte Bashing öffentlicher Schulen? Wieso sind denn nicht alle Schüler, die in den "überfüllten" Klassen staatlicher Lehranstalten sitzen, schlechte Schüler? Und ist die hier zum 375sten Mal kolportierte These, dass kleinere Klassen zu besseren Schülerleistungen führen, nicht mindestens ebenso oft widerlegt worden? Nein, Internate sind keineswegs "der Weg zum Erfolg". Und die zum Teil recht hohen Kosten sind auch nicht der einzige "Haken"! Denn sonst würde man ja nicht im InternetErfahrungsberichte wie diesen finden, oder wiediesen. Ein schlichtes Beispiel aus dem "Internatsleben" des schleichbeworbenen Instituts (Quelle: faz.net):
"Zu sechst saßen sie in dem kleinen VW Polo: der neunzehnjährige Fahrer und fünf Schülerinnen zwischen vierzehn und sechzehn. Am vergangenen Dienstag, nachmittags um kurz nach halb vier, sind sie von der Schule, einem idyllisch gelegenen privaten Internats-gymnasium im oberhessischen Echzell, zu einer Spritztour ins kaum eine Viertelstunde entfernte Nidda aufgebrochen - sie wollten zum amerikanischen Schnellimbiss im Stadtteil Harb. [...] Wenige Minuten vor vier Uhr steuerte der Polo jedenfalls mit hoher Geschwindigkeit auf die Kreuzung zweier Landstraßen zwischen den Dörfern Rabertshausen und Ulfa zu, stieß dort ungebremst mit einem fünfundzwanzig Tonnen schweren Lastwagen zusammen und wurde von diesem etwa dreißig Meter weit mitgeschleift. Der Fahrer des Polo und drei der Schülerinnen starben noch am Unfallort, zwei Mädchen wurden mit schwersten Verletzungen in die Universitäts-kliniken von Gießen und Frankfurt am Main geflogen."
Aus einem Leserkommentar: "Die Eltern der vier tödlich Verunglückten und der zwei Schwerverletzten hatten keine Chance etwas ahnend wissen zu können, denn ihre Kinder lebten weit entfernt in einem Internat. Aufsichtsverantwort-liche waren andere, zum Beispiel die Leitung des Internats. Da leiht sich ein 19-Jähriger einen Kleinwagen von einer Bekann-ten, um damit von Friedrichsdorf nach Echzell zu fahren, weil er dort einen Freund besuchen möchte. Hätte irgendjemand ihm die Autoschlüssel verweigern können? Da lädt der Junge fünf minderjährige Mädchen aus dem Internat ein, mit ihm eine Spritztour ins benachbarte Nidda zu machen. Der kleine Polo ist mit sechs Personen überladen. Niemand hindert ihn daran mit den jungen Frauen das Internat zu verlassen. Und die Fahrt, wie Jochen Hieber richtig bemerkt, nimmt von Beginn an einen unerwarteten Verlauf, die tödlich vor der Front des LKW an der Straße von Ulfa nach Nidda endet. Hätte nicht ein rechtzeitiges Eingreifen einer verantwortlichen Person Schlimmes verhindern können?" Lesen Sie weiter...
Also ich muss schon sagen: Eine solche Frechheit wie dieses Loblied auf einen gewerblichen Anbieter ist mir schon lange nicht mehr untergekommen. Ich frage mich ernstlich, in welcher grenzwertigen "rabbithole" der/die verantwortliche ZDF-Redakteur(in) sein/ihr journalistisches Selbstverständnis vergraben hat. Da sollte vielleicht mal der Kollege Gernot Hassknecht aus dem "Heute-Show"-Team...

U. Lange






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