Montag, 17. April 2017

Salem lobt sich

Wie man sich im Gespräch hält

Wie schon sein Vor-Vor-Vor-Vorgänger Bernhard Bueb ist auch der derzeitige Salemer Gesamtleiter Bernd Westermeyer emsig bemüht, das eigene Institut durch Beteiligung an pädagogischen Debatten aller Art immer wieder ins Gespräch zu bringen. Das erscheint auch bitter notwendig, denn die Schülerzahlen des Internats am Bodensee gehen zurück und von einer guten Presse kann auch keine Rede mehr sein. Darum der Griff in die Trickkiste: Fehlt dir des Lobes Hymne, schreib selber 'ne Kolümne.

Ein geeignetes "Kolümnen"-Forum hat Westermeyer in dem Blatt "The European" gefunden (Selbstbeschreibung: "The European ist das Debatten-Magazin. Autoren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stoßen wichtige Debatten an."). Der Titelkopf erscheint angesichts des Brexit und des Mangels an anderen englischsprachigen europäischen Ländern zwar nicht gerade geschickt gewählt. Ansonsten aber passt's scho. Denn laut "Der Spiegel" gehört das Magazin dem "schillernden Kulmbacher Unternehmer" Bernd Förtsch, zu dessen Medien-Imperium neben dem Wochenblatt "Der Aktionär" auch das "Deutsche Anleger-Fernsehen" (DAF, inzwischen insolvent) gehör(t)en. Immerhin wurde Förtsch 2012 vom Manager-Magazin zu den 500 reichsten Deutschen gezählt. Debatten anstoßen, vor allem wenn es den eigenen Interessen nützt, das könnte für Bernd und Bernd der berühmte "gemeinsame Nenner" gewesen sein.

In der letzten Ausgabe seiner durchaus entbehrlichen Kolumne orakelt Westermeyer über die "Orientierungslosigkeit der Generation G8". Nach altem Aufreger-Abreger-Prinzip wird zunächst irgendeine "Not" konstruiert, um sich am Ende selsbt als Retter aus derselben an-zupreisen. Bei Westermeyer liest sich das so:

Not macht Schule
Die Schule Schloss Salem reagierte nach der Einführung des zwölfjährigen Gymnasiums im Kleinen auf die Orientierungslosigkeit der “Generation G8”, die sich schon bald in Besorgnis erregenden universitären Abbrecherquoten widerspiegelte.
Mit seinem 2013 eröffneten Kolleg brachte Salem über das bewährte Careers’ Counseling für die eigenen Oberstufenschülerinnen und -schüler hinaus ein neues Format in die bundesdeutsche Bildungslandschaft ein: ein ganzheitlich angelegtes Orientierungsjahr für Schulabsolventen, denen aufgrund ihrer sehr guten Abschlüsse alle, d. h. verwirrend viele Studiengänge offenstehen. Wie ein Allgemeines Soziales Jahr keine verlorene Zeit, sondern ein im wahrsten Sinne des Wortes Zukunft weisendes Win-Win-Investment.

Wer wichtige Debatten anstößt, müsste eigentlich auch an regen Diskussionen hierüber interessiert sein, denn warum sollte man sie sonst anstoßen? Hierzu wird ausdrücklich eine Leserbriefspalte  angeboten. "0 Kommentare" liest man dort, was allerdings gelogen ist. Denn mein nachfolgend abgedruckter Kommentar wurde nach kurzer Zeit gelöscht. 

>> Not macht vor allem erfinderisch

und veranlasst Repräsentanten der Schule Schloss Salem, sich notorisch in alle nur denkbaren gesellschaftspolitischen Diskussionen zu drängen, um im Anschluss an die Erfindung irgendeines neuen Bedrohungsszenarios oder einer neuen Problemgruppe auch gleich die passende Lösung zu präsentieren: Gibt es da nicht auch etwas von...
Ja, gibt es! Gegen "besorgniserregende universitäre Abbrecher-quoten der Generation G8" hilft - "im Kleinen (d.h. bei entsprechend großem Einkommen)" - das 2014 gegründete Salem Kolleg als in der Bildungslandschaft angeblich neues Format eines ganzheitlich angelegten Orientierungsjahres. Natürlich soll der Staat zunächst einmal ein verpflichtendes soziales Jahr anordnen. Da nun sämtlichen Abiturienten nichts anderes übrig bleibt als dieses Pflichtjahr irgendwie zu füllen, verspricht man sich natürlich auch den entsprechenden Zustrom zu dem eigenen - bisher nur dürftig ausgelasteten - Salem Kolleg, das lediglich eine "Geschäftsidee" darstellt, um den zur Jahrtausendwende als teuersten privaten Schulneubau Deutschlands errichteten "Campus Härlen", ehemals "Salem International College", irgendwie auszulasten. Natürlich hat die Schule Schloss Salem das universitäre Orientierungsjahr nicht erfunden [Das gibt es billiger z.B. in Tübingen!]. Wohl aber das Luxusproblem von "Schulabsolventen, denen aufgrund ihrer sehr guten Abschlüsse alle, d. h. verwirrend viele Studiengänge offen stehen". Nur hat das mit den vermeintlichen Nöten der Generation G8 nur wenig zu tun. Die wäre mit der flächendeckenden Rückkehr zu G9 (bei Aufrechterhaltung eines D-Zugs für besonders Begabte), angemessenen Abituranforderungen statt Aldi-Abitur, Rückkehr zu Diplom und Magister und vor allem einer bedarfsgerechten Personalausstattung der Lehre an den Universitäten "im Großen" gegen hohe Abbrecherquoten bei den Studierenden zu schützen. Dann müsste man sich mit privatwirtschaftlichen Angeboten vermeintlich Zukunft weisender "Win-Win-Investments" nicht befassen, die im wahrsten Sinne der leicht durchschaubaren Absichten vor allem die Zukunft der Schule Schloss Salem sichern sollen. <<


Ulrich Lange 

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