Sonntag, 26. Februar 2017


ULRICH LANGE
28.12.2013 | 21:36 41

Mythos Eliteinternat

Salem & Co. | Bei Internaten tappe die Wissenschaft noch immer „weitgehend im Dunkeln“, beklagt der Bildungsforscher Manfred Weiß. Das öffne der Legendenbildung Tür und Tor.
Heiner Barz, Ordinarius für Erziehungswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf, wo kürzlich die ehemalige "Elite-Ministerin" und begehrte Salemer Jubiläums-Festrednerin Annette Schavan wegen allzu schamlosenRecyclings fremder Ideen entpromoviert wurde, spricht von einer"desaströsen Forschungslage". Empirisch gestützte Daten über die Wirkungen und Ergebnisse von Internatserziehung lägen nicht vor bzw. seien zumindest mittels der "üblichen Recherchewege in Bibliotheken und Wissenschafts-Datenbanken" nicht auffindbar. Offensichtlich habe sich bisher kaum ein Forscher dafür interessiert, ob "die Ansprüche der heutigen Internate sich durch Untersuchungen bestätigen lassen". Dies liege, vermutet Barz, wohl daran, dass es keine Sponsoren gebe, die Geldmittel für einschlägige Forschungsprojekte zur Verfügung stellten, argwöhnt aber zugleich: "Vielleicht liegen auch abgeschlossene Untersuchungen irgendwo in der Schublade?"



Wer sich mit der Welt deutscher "Elite"-Internate einmal intensiver beschäftigt hat, wird die letztgenannte These nicht vorschnell zurückweisen, haben doch die wenigen bisher veröffentlichten Studien kein sehr vorteilhaftes Bild von Salem & Co. vermittelt (vgl. z.B. Michael Ley und Herbert Fitzek: Alltag im Wunschformat. Über Internatserziehung im Blick der Eltern. Bonn 2005). So dürften die „weißen Flecken“ auf der pädagogischen Landkarte wohl vor allem auf Vorbehalte insbesondere der preislich exklusiveren Wohnschulen zurückzuführen sein, Außenstehenden einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren und sich in die Karten schauen zu lassen. Denn die (vermeintlich) hohe Reputation der Nobelinstitute gründet sich hauptsächlich auf einen durch emsige PR-Bemühungen selbst geschaffenen Mythos. Es ist wie in Andersens Märchen von "Des Kaisers neuen Kleidern": Wird der sorgsam gehütete "gute Ruf" durch den nüchternen Blick auf die hässliche Realität "entzaubert" oder beschädigt, kann dies zu erheblichem Imageverlust und damit zu wirtschaftlichen Einbußen führen.
Folglich besteht großes Misstrauen gegenüber erziehungswissenschaftlicher Mythosfor-schung oder kritischen Forschungsansätzen anderer Disziplinen (Geschichtswissenschaft, Organisationspsychologie o.ä.). Dasselbe gilt für die gemeine journalistische Neugier, soweit sie nicht im Gewand der Schleichwerbung oder Hofberichterstattung daher kommt, sondern kritische Vergleiche anstellt zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Schein und Sein. Der Salemer PR-Stratege Hartmut Ferenschild lässt denn auch im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung keinen Zweifel daran, dass die Salemer Führungsetage "ein möglichst idealisiertes Bild des Internats in den Medien" wolle.
Tatsächlich fördern wissenschaftliche Unbestechlichkeit und investigativer Journalismus, so sie denn nicht behindert werden, im Umfeld von Salem & Co. in aller Regel wenig Ideales zu Tage. Die Schule Schloss Salem, die besonders viele Leichen im Keller zu haben scheint, spricht in solchen Fällen gern von einer "Skandalisierung" durch die Medien, reagiert empört und zieht alle Register, um eine ihrem grandiosen Selbstbild abträgliche Berichterstattung zu unterbinden.
Oft gelingt das. Denn die Mobilisierung von Seilschaften und Strippenzieherei hinter den Kulissen gehören zu den Grundmustern elitärer Machtausübung. Aber die Wahrheit lässt sich eben nicht immer und nie auf Dauer unterdrücken. Und so entpuppt sich beispielsweise der gefeierte Schulgründer Kurt Hahn bei einem Blick in die Archive als manisch-depressiver Psychotiker, der nie einen akademischen Abschluss zustande brachte und wohl schon deshalb der "Charakterbildung" und "Körperertüchtigung" seiner Eleven größere Bedeutung beimaß als ihrer intellektuellen Unterweisung. Kaum haltbar ist auch die Legende vom aufrechten Kampf des Schulgründers gegen den Nationalsozialismus. Obwohl selbst Spross einer jüdischen Unternehmerfamilie, forderte Hahn seine Schüler noch 1934 zum Eintritt in SA und SS auf, weil er hoffte, aufgrund der Fürsprache prominenter Freunde und Förderer von den braunen Machthabern als "guter Hofjude" geduldet zu werden. Seinen Gönner Max von Baden, der das Kapital für die Salemer Schulgründung beisteuerte und der Legende nach ein "Liberaler" gewesen sein soll, outen die historischen Quellen als Rassisten und Antisemiten. Und natürlich war auch der viel berufene "Salemer Geist" reaktionär und antidemokratisch bis in die Knochen. Golo Mann (zitiert nach Tilmann Lahme) bezeichnete Hahn in seinen Tagebuchaufzeichnungen als "den reinsten Formulator und Praktiker der nationalsozialistischen Ideen" und dessen Internatsgründung als "ideale Hitler-Schule". Infolgedessen hatten viele der in der Salemer "Hall of Fame" versammelten Ehemaligen, mit denen die Schule noch heute renommiert - z.B. die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann und der Privatschullobbyist Hellmut Becker - eine braune Vergangenheit oder gelten - wie der englische Prinzgemahl Philip Mountbatten - als neofeudale Rassisten.
Durch die im Frühjahr 2010 öffentlich gewordenen Missbrauchsskandale an zahlreichen Wohnschulen mit elitärem Selbstverständnis, seien es Jesuiteninternate wie das Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godesberg und St. Blasien im Schwarzwald, das Kloster Ettal, die reformpädagogische Vorzeigeanstalt Odenwaldschule oder "das berühmteste Internat Deutschlands", die Schule Schloss Salem, wurde die durch Legendenbildung und gezielte Desinformation sorgsam aufgebaute Reputation privater Internatsschulen schwer beschädigt. Gerade erst hatten sich die deutschen Luxusinternate mittels einer jahrzehntelangen Imagekampagne zu "Kaderschmieden mit Karrieregarantie" (Manager Magazin) aufgeschwungen und wähnten sich nach eher mageren Jahrzehnten vor der Jahrtausendwende am Beginn einer goldenen Zukunft. Doch nun wurden die Institution des Internats bzw. der Internatserziehung grundsätzlich in Frage gestellt. Plötzlich sprach man öffentlich von den "Gefahren der Eliteschulen" (Neue Zürcher Zeitung) und von "totalen Institutionen". Ihre Gründungslegenden und Schulmythen wurden radikal hinterfragt und als manipulative Konstrukte entlarvt, die "durch Glorifizierung der zeitgenössischen Akteure" zustande gekommen seien statt "durch Prüfung ihrer Praxis" (Jürgen Oelkers). Radikal wurde eine "Mythenbeseitigung durch Realgeschichte" gefordert.
Wenig später erfolgte eine Entzauberung von "Elite"-Einrichtungen gleich im internationalen Maßstab (vgl. Olaf Storbeck: "Der Mythos von der Kaderschmiede", erschienen am 15.08.2011 im Handelsblatt). Die Bedeutung elitärer Kaderschmieden mit extrem selektiven Aufnahmebedingungen, so das Ergebnis der von Storbeck zitierten Fallstudie der US-ForscherA. Abdulkadiroglu, J. Angrist und P. Pathak, die 2011 unter dem Titel "Die Elite-Illusion" erschien, werde massiv überschätzt. Wer eine elitäre Kaderschmiede besucht habe, so die zentrale Botschaft der Studie, könne zwar mit sehr guten Leistungen aufwarten, hätte diese aber in aller Regel auch dann erbracht, wenn er auf eine ganz normale Schule gegangen wäre. Dass Eliteschulen leistungsstärkere Absolventen hätten, liege daran, dass sie sich die besten Schüler aussuchten - und nicht daran, dass sie ihnen später mehr beibrächten.
Bestätigt wird die Übertragbarkeit dieser Analyse auf deutsche Verhältnisse durch nachfolgende Einschätzung eines Absolventen des elitären katholischen Aloisiuskollegs in Bonn-Bad Godesberg:
>>Wie wurde man überhaupt „Elite“? Durch eine brutale und (a)soziale Auslese über mehrere Instanzen: Zunächst verbreitete man (mit wenig Berechtigung) überall das Gerücht, man sei eine Eliteschule. Das schreckte schon einmal die ersten ab! Gut so. Als nächste Stufe kam die Aufnahmeprüfung, danach folgte ein hemmungsloses Aussieben in den unteren Klassen. Noch besser! Kurz vor dem Prima brach man noch schnell den schwächeren Schülern das Genick, denn am Aloisiuskolleg fällt bekanntlich keiner durchs Abitur.
Was in den oberen Klassen an Schülern am Ende übrig blieb, waren sozusagen Selbstläufer, die eigentlich auch ohne so manchen mittelmäßigen Lehrer hätten auskommen können. Am besten hätte man diesen Primanern wohl einfach ein paar Bücher aufs Pult gelegt.
Mit 16 Jahren hatte ich das Landesbestenzeugnis mit Urkunde und Geldprämie und beschloss, in den Gleitflug zu gehen. An der Universität Bonn hörte ich Vorlesungen bei den Professoren Speiser, Lützeler, von Einem und Bandmann. Im Vergleich mit Freunden von anderen Schulen begriff ich bald, dass wir Akoschüler (außer in Latein) in allem meistens nur Durchschnitt gewesen waren. Und manchmal sogar bloß nur Nieten.<<
Wie mag es erst um das Niveau von Nobelinternaten der höchsten Preiskategorien bestellt sein, die - wie die Schule Schloss Salem - monatlich mehr als das Doppelte in Rechnung stellen wie das Bad Godesberger Jesuitenkolleg und zudem fast 700 Internatsplätze belegen müssen? Kann man es sich dort überhaupt leisten, bei der Schülerauswahl besonders strenge Maßstäbe anzulegen? Um es vorweg zu nehmen: Man kann es nicht! Zwar werden immer einmal wieder Versuche unternommen, zumindest den Anschein einer Anhebung des akademischen Niveaus zu erwecken. Doch schnell werden derartige Ambitionen immer wieder korrigiert - aus Angst vor rückläufiger Nachfrage einer lediglich der "Aristokratie der Bankauszüge" zugehörigen Stammkundschaft. Schulen wie Salem, Neubeuern, Louisenlund usw. sind letztlich nicht "akademiserbar", weil der Oberschicht-Nachwuchs, der sie mehrheitlich bevölkert, elitären intellektuellen Anforderungen mehrheitlich schlichtweg nicht gewachsen ist.
Genau diese Kategorie von Einrichtungen dürfte der Autor der Neuen Zürcher Zeitung vor Augen gehabt haben, als er unter dem Titel "Anspruch und Realität der Besten" schrieb:
"Die Gefahr solcher deklarierten Eliteschulen ist, dass es nicht primär um Begabungen und Fähigkeiten geht, sondern um das Heranbilden eines elitären Selbstverständnisses. Sie sind darauf spezialisiert, durchschnittlich begabten Jugendlichen ein überhöhtes Selbstwertgefühl zu vermitteln. Wenn der Schulbesuch mit hohen Schulgeldern und speziellen Aufnahmebedingun-gen verbunden ist, dann wird der Elternschaft außerdem Exklusivität kommuniziert. Für die Lehrpersonen wird es schwierig, wenn sie diesen Auftrag nicht annehmen und das Verhalten und das Leistungsprofil der Schüler zu sehr hinterfragen. Ihre Existenz wird bedroht, und sie verlieren vielleicht wegen eines kritischen Vaters und Sponsors ihre Stelle."
Peinliche Plaudereien aus dem Nähkästchen, die durch zahlreiche Erfahrungsberichte ehemaliger "Eliteschüler" bestätigt werden. So erinnert sich ein Leserbriefschreiber in der ZEIT:
"Ich habe meine Schulzeit auch auf einem privaten Gymnasium bzw. Internat verbracht, welches zumindest im regionalen Bereich den Ruf einer "Eliteschule" hatte.
Und ich muss sagen, es war vieles wie anderswo auch: Wir hatten Streber, schlechte Schüler und viele mittelmäßige. Allerdings hatten wir zwei Sachen nicht: Schüler, die unterpriviligiert waren und Ausländer.
Mir wurde viel beigebracht auf diesem Gymnasium, aber Werte wie Toleranz, interkulturelle Verständigung oder gar Demut musste ich mir hinterher selbst beibringen.

Mein persönliches Fazit: In dieser Form erziehen solche "Eliteschulen" die Kinder nur zu egoistischen und arroganten Snobs, die auch noch fälschlicherweise annehmen, sie wären intelligenter als der Rest der Welt."

Ein zweiter pflichtet bei:
"Auch ich war auf einem sogenannten "Elite"-Internat (meine Eltern hatten Geld, aber keine Zeit). Obwohl die Lehrer selbst teilweise versuchten, die Dünkel abzubauen, kam durch die abgehobene Arroganz der Eltern auch bei uns dieses unangebrachte Überlegenheitsgefühl immer wieder durch (nach dem Motto "der Papa wird’s schon richten")."
Eine Salemer Stipendiatin erinnert sich:
"Zu den Lehrern kann ich nur sagen: In meinen 9 Jahren auf Salem hatte ich nur 4 Lehrer, die man respektieren konnte, die souverän waren, ihren Stoff solide rüberge-bracht haben und sich nicht von den verwöhnten Fratzen, die da meine Mitschüler waren, haben einschüchtern lassen. Alle anderen waren nur dauernd bemüht, ja nicht auf die falsche Seite zu geraten und es sich mit den "Coolen" , den Cliquenchefs, zu verderben, denn dann wäre der Unterricht fast unmöglich gewesen. So sahen Lehrer seelenruhig zu, wie meine Schulsachen regelmässig aus dem Fenster flogen und anderer Unfug mit mir oder anderen armen Hanseln getrieben wurde."
Ein bezeichnendes Licht auf die Methoden, mit denen Eliteinstitute der beschriebenen Kategorie auch schwachen Schülern "Erfolge" ermöglichen und hierdurch ein hohes Leistungsniveau ihrer Eleven vortäuschen, wirft der nachfolgende Chat zweier Salem-Absolventen. Zunächst versucht ein offensichtlich leistungsschwacher Kandidat, der sich der Schule Schloss Salem aufgrund der dort erreichten "Erfolge" zu großem Dank verpflichtet fühlt, die nachsichtige Zensurengebung des Privatinstituts als "bessere Förderung" durch Kleinklassen etc. zu verbrämen:
>> Die meisten Gerüchte die über Salem im Umlauf sind, stimmen nicht! Wissen Sie, mir liegt sehr viel daran Salem gut zu präsentieren und wieder ins rechte Licht zu rücken. Erst einmal, ich bin von einer Realschule mit notendurchschnitt 3,4 nach Salem gewechselt. Ich habe kein Stipendium bekommen, da ich nicht den Erforderungen nachkommen konnte. Nun, im nächsten Zeugnis auf Salem, einem staatlich anerkannten Gymnasium, habe ich einen Durchshnitt von ca 2,3 gehabt! So geht es vielen Schühlern und Schülerinnen hier , da wir pedagogisch sehr gut betreut sind! Die Klassen sind viel kleiner (manchmal sogar nur 13 Schüler in einer Klasse!!) und dadurch können die Lehrer viel besser auf jeden Einzelnen eingehen und dessen Schwächen fördern! So kommt es auch, dass viele ein Stipendium bekommen da sie wirklich den Notendurchschnitt im Zeugniss vorweisen können! In meinem Jahrgang bei den Mädchen, haben allein 8 von 14 ein Stipendium und von diesen 8 sind 3 Lehrerkinder und nur 1 adeliger Herkunft. Sie können sagen was Sie wollen, aber dieses Beispiel sollte Ihnen zeigen, dass sie etwas falsch mit der Annahme liegen, dass fast nur Adelige oder Leute aus der oberen Schicht auf Salem sind.<<
Dieses gängige Erklärungsmuster wird dann allerdings durch die Analyse eines Douglasdakota brutal zurecht gerückt:
>> Die Tatsache, dass dein Notendurchschnitt von 3,4 auf 2,3 gestiegen ist, beweist nicht dass der Unterricht in Salem qualitativ so viel höher liegt, sondern lediglich, dass Deine Bewertung an der einen Schule anders vergeben wird als an einer anderen. Wie man, mit verlaub gesagt, an Deiner Schreibweise erkennt.
Ich bin ebenfalls ein "Ehemaliger", und kann ganz andere Erfahrungen beisteuern. Als ich nach der 10. Gymnasialklasse einer Deutschen Auslandsschule in das Salemer Internat kam, verbesserte sich mein Notendurchschnitt ebenfalls leicht. Einen besonders guten Unterricht habe ich jedoch nicht erlebt. Der Unterrichtsstoff war relativ einfach, und genau auf die Prüfungen abgestimmt; so bekamen Schüler teilweise Hausaufgaben, die später mit den Prüfungsaufgaben bis auf wenige Details überein-stimmten. Als ich später für das Abitur in der 12. Klasse wieder wechselte, sackte mein Notendurchschnitt in der neuen Schule sofort wieder ab, sodass ich die 12. Klasse freiwillig wiederholte, um nicht meine Hochschulreife zu gefährden. Wer nun in Salem alles ein Stipendium bekam und wer nicht hat mich damals nicht interessiert (ich bekam keines), und kann ich daher heute auch nicht bestätigen. Allerdings fiel mir damals schon auf, dass Schüler aus besonders wohl-habenden Familien "freiwillig" Geld spendeten, um der schule die Vergabe von stipendien zu ermöglichen. Diese Schüler wurden im Ausgleich dazu indirekt von der Schulleitung bevorzugt. Ein ansonsten durchweg streng geregeltes Internatsleben wurde in der Praxis auf solche Schüler nicht angewandt, sie genossen somit Privilegien. Mobbing, Diebstahl, Vandalismus, das Prahlen mit dem väterlichen Einkommen oder dessen adeliger Stellung sowie Bevorzugung und Diskriminierung bringe ich mit Salem in erster Linie in Verbindung. So gesehen findet in Salem zwar keine Schulausbildung auf besonders hohem Niveau statt, aber eine Vorbereitung auf das spätere Leben bekommt man auf alle Fälle, wenn auch auf eine andere Art und Weise, als es die von Arroganz und Überheblich-keit geprägte Schulleitung proklamiert.<<
Angesichts solcher Berichte dürfte der Traum vieler Eltern, ihren Kindern durch den Besuch einer Eliteschule zu einer "besseren Bildung" und größeren Karrierechancen zu verhelfen, der Desillusionierung weichen. Und selbst der vermeintliche Vorteil angenehmerer Lernbedingungen in gehobener Umgebung, den die private Bildungsindustrie und die prosperierende Internatsvermittler-Zunft unter dem Label "Schöner Lernen im Schloss" vermarkten, wird von der Wissenschaft als leistungsfeindlicher Motivationskiller entlarvt, weil die Privilegierung und Verwöhnung von Kindern und Jugendlichen deren Leistungsbereitschaft vermindere. "Wenn wir in einer netten, angenehmen Umgebung sind", zitiert Birgitta vom Lehn in der "Welt am Sonntag" den Yale-Professor John Bargh zur Erklärung dieses Phänomens, "dann fahren wir unseren Einsatz automatisch herunter". Die wirklichen Kaderschmieden für junge Genies seien daher in aller Regel reichlich unattraktive Lernorte. Der Output exzellenter Absolventen korrespondiere geradezu mit dem Grad äußerer Hässlichkeit.
Tröstliches zum Schluss: Der Personalberater Dr. Stefan Fourierhält "das Konzept einer gesonderten Ausbildung von Eliten [...] in Internaten und Eliteuniversitäten" generell für "Blödsinn". Seine Begründung:
"Häufig verkörpern gerade Menschen, die sich von unten hochgearbeitet haben, mehr Elite, als die über den Kamm einer Eliteschule geschorenen Kunstprodukte. Sie sind vom Leben und ihrem Umfeld geprägt. Und nur so kann man Eliten heranbilden, indem man möglichst vielen Menschen, jungen Menschen, die Chance gibt, das Beste aus sich zu machen. Dazu gehören Möglichkeiten und Freiheit genauso wie Anforderung und Erziehung. Und je mehr verantwortungsbewusste und fähige Menschen wir haben, desto stärkere Eliten werden sich daraus formen."
Lesen Sie hierzu bitte auch:
DIE PRESSE (at) Im Jugendstraflager der Eliten Von Christoph Schwarz, 28.08.2009
BADISCHE ZEITUNG: Heikles Jubiläumsjahr im Internat Schloss Salem Von Petra Kistler 27. April 2010
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